Auslandssemester sind voll im Trend! Bessere Berufsaussichten, andere Kulturen kennenlernen, Netzwerke ausbauen, Horizont erweitern oder einfach mal da richtig die Sau rauslassen, wo einen eh keiner kennt...die positive Darstellung von Auslandssemestern seitens verschiedener Gruppen läuft einem ja fast zu den Ohren wieder raus...und, nüchtern und objektiv betrachtet: irgendwo haben die ganzen Leute ja recht!
Auslandssemester machen ist also total klasse und super und sowieso, bei mir als Englisch-Studenten ist es sogar (zurecht) verpflichtend und man soll sich ja drauf freuen weil man danach einfach ein glücklicherer, selbständigerer und besserer Mensch ist.
Wenn da nicht die Vorbereitung wäre...setzt mich in nen Flieger, finanziert mir den Kram, besorgt mir ne Wohnung und ne Uni und ich mache gern mehrere Auslandssemester. Aber eins muss hier mal gesagt sein: Jeder, der es geschafft hat, ein Auslandssemester überhaupt anzutreten, sollte mit mehreren Orden ausgestattet werden: Denn er hat die Hölle der Vorbereitung durchschritten....wahrscheinlich nicht unbeschadet, aber letztlich erfolgreich!
Okay, wir sind in Deutschland, einem Land, welches ja nicht unbedingt den Ruf hat Dinge einfach und unbürokratisch zu regeln, doch die Vorbereitung eines Aufenthalts im Ausland sprengt ungeahnte Dimensionen. Wer hier die Nerven behält, hat es geschafft: der Bürokratie-Wahnsinn erreicht neuen Dimensionen, das Organisations-Chaos erfordert Nerven aus Stahl: Nur die Stärksten (leidensfähigsten) überleben: Das Auslandssemester wird quasi zum verdienten Urlaub nach dem schier unedlichen Kampf mit Paragraphen-Zombies und Koordinations-Legasthenikern...ein Fight auf Leben und Tod!
Fangen wir vorne an:
1. Die Bewerbung!
Im Prinzip ist das nicht mal vorne, weil zuallererst natürlich das Gedanken machen, abwägen und recherchieren, wo man eingentlich hinwill kommt, aber der Einfachhheit halber...
Natürlich möchte der clevere Bewerber seine Chancen erhöhen, also bewirbt er sich für möglichst viele Unis, in diesem Beispiel drei Partner-Unis namens Hull, Southampton und Limerick...das heisst natürlich drei Bewerbungen, drei Begründungen warum es denn ausgerechnet diese Stadt werden soll (natürlich sind sowohl Hull, Southampton als auch Limerick die geilsten Städte überhaupt, die alle unfassbar geniale Aussichten bzgl. Studium bieten und das kulturelle Leben erst, blabla, wer schon mal eine Verweigerung für den Wehrdienst geschrieben hat weiss, zu welch ungeahnten Aussagen über sich selbst man fähig ist., wenn man ein bestimmtes Ziel hat) und stapelweise Unterlagen die sich keiner durchliest. Dazu das Ganze nochmal online, um die faulsten Schweine gleich mal auszusieben und beim Auswählen weniger Stress zu haben...natürlich gibt es gefühlte 40 Stellen ,die für die eigene Bewerbung zuständig sind, wobei man bei jeder Stelle bei Fragen zur nächsten geschickt wird weil da jemand mehr Ahnung hat (was natürlich nicht stimmt, stattdessen landet man irgendwann wieder bei der ersten Anlaufstelle).
2. Zusage und Kommunikationsprobleme:
Jetzt geht`s richtig los. Osnabrück hat einen geprüft und für gut befunden (wahrscheinlich bei Kaffee und Plätzchen in 10 Minuten), jetzt wird man mit Hull allein gelassen. Direkt wird bewiesen, dass die EU-interne Kommunikation nun wahrlich noch nicht so weit fortgeschritten ist wie gewünscht. Osnabrück hilft einem so gut wie gar nicht mehr weiter und flüchtet sich in vor Jahren ausgearbeitete Formblatt-Antworten, die einem beim akuten Hull-Kommunikations-Problem so gar nicht weiterhelfen. Zwei Anlaufstellen in Osnabrück geben bzgl. einer Mail aus Hull, die mich auffordert, meine kompletten Bewerbungsunterlagen erneut zu schicken zwei exakt entgegengesetzte Antworten. Nach langem Mailverkehr mit einer schlechtgelaunten Kontaktperson in Hull, die so gar keine Lust hat, diesem verdammten Sauerkraut-Fresser zu erklären, wie er sich zu verhalten hat und wie ihre Landsleute mit nach England fliegenden, übermotivierten Deutschen eh historisch schlechte Erfahrungen gemacht hat, gehe ich zu 90% davon aus, richtig zu handeln, indem ich nur zwei Blätter rüberfaxe....ob ich Recht behalte? Oder platzt bei Schritt zwei mein Traum vom Auslandsabenteuer?
3. Antwort...Antwort?!
Natürlich sieht sich Hull nicht in der Lage, mir zu bestätigen, dass die gefaxten Unterlagen angekommen sind sonder lässt mich im Dunkeln tappen. Wäre auch zu einfach, im Mailprogramm den "Answer" Button zu drücken und "Yes" zu schreiben (eventuell hätte man vorher ja noch im Ordner nachschlagen müssen und das raubt wertvolle Teepausen-Zeit). Nach wochenlanger Ignoranz bekomme ich dann eine offensichtlich als Massenmail versendete Bestätigung, dass ich in Hull studieren darf. Welch Segen...
4. ERASMUS-Zuschlag und Auslands-BaföG
Okay, prinzipiell sagen die zwei Begriffe schon, dass man sich bisher erst im Eingangsbereich der Bürokratie-Hölle befunden hat, jetzt geht es richtig los. Die Bafög-Behörde in Köln, die die Anträge aus ganz Deutschland bearbeitet möchte ALLES wissen und verlangt Angaben, die ich selbst nicht mal mit Sicherheit zu beantworten weiss (mmmh, wie viel hab ich nochmal bei dem Ferienjob in der Papierfabrik 2004 verdient?), die Uni will ebenfalls nochmal drei Zettel mit Angaben um sicherzugehen, dass die paar hundert Euro EU-Subventionen auch gut angelegt sind (wahrscheinlich fehlen die der EU sonst noch bei der Unterstützung irgendeines ominösen, sinnlosen Bauvorhabens in Südportugal). Verzweifelt schicke ich diewichtigsten Unterlagen im Mai ab und hoffe nun auf ruhige Zeiten...
5. Wohnung
Hab ich mich natürlich drauf beworben. Mrs. Green, meine Kontaktperson in Hull, inzwischen kann man fast auch gute Freundin sagen, mit der ich einen ständigen mehr oder eher weniger ergiebigen Mail-Kontakt bzgl. aller angehäuften Ungereimtheiten führe, kann mir bis genau drei Woche vor Antritt des Auslandssemesters nichts dazu sagen, beziehungsweise sie antwortet nur einmal mit Ein-Satz-Antwort auf gefühlte fünf Mails (sie antwortet, dass ich mich doch mal beim Wohnungsbüro melden soll).
Das Accomodation Office ist offensichtlich ausgelastet. Es wird eine Standard-Antwort geschickt, dass man sich bemühe, die Anfrage innerhalb von 48 Stunden zu beantworten. Zwei Wochen und mehr als 480 Stunden später: Keine Antwort.
Ich ringe mich dazu durch, direkt anzurufen: Siehe da, ich wohne Cranbrook Avenue, alles klar, das Telefonat dauert ca. 1 Minute. Angesichts der Tatsache, dass diese Info in den vorangegangenen Wochen nicht bei den zuständigen Leuten rauszukitzeln war, fühle ich mich zwar leicht verarscht, bin als gebrochener Mensch aber einfach nur erleichtert.
6. Sonstiges
Ich bin bisher nicht auf Meldeangelegenheiten, Kontoeröffnungen, Beurlaubungen, Zimmerzwischenvermietungen etc. eingegangen. Nebenbei gibt es natürlich auch noch diese nervige Uni, für die man auch noch was tun muss. Das kommt zu dem hier geschilderten natürlich noch dazu. Insgesamt beläuft sich der Vorbereitungsaufwand für das hochgepriesene Auslandssemester im zeitlichen Regionen, die es nahelegen, sich für die Vorbereitung dieses Semesters eine eigene Sekretärin anzuschaffen. Ich brauch einfach nur noch Urlaub...also auf nach Hull...noch drei Wochen...
P.S: Mein Auslands-Bafög ist natürlich noch nicht bewilligt...Kein Scherz: Der Sachbearbeiter war krank!
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